Kultur

Nahostkonflikt: Der Iran – Ein Interview

Niklas Hausen |

Ein Teil deiner Familie stammt aus dem Iran und du pflegst auch noch Kontakte zu Familienmitgliedern, die dort leben. Kannst du uns ein wenig von deiner Familie erzählen?

Mein Vater ist mit seinen Eltern im Alter von zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Aber auch meine Mutter stammt aus dem Iran. Meine Eltern haben sich dann im Iran kennengelernt und sind dann nach Deutschland gegangen, weil es meinem Vater hier bereits sehr gefallen hatte. Meine Tanten und andere Teile meiner Familie wohnen immer noch im Iran. Weil mein Vater schon als Kind nach Deutschland gekommen ist, konnte er schon ziemlich gut Deutsch. Aber meine Mutter musste durchaus noch eine Sprachschule besuchen. Ich kann übrigens auch ziemlich gut Persisch sprechen.

 

Konntest du den Iran schon einmal besuchen? Und wenn ja: Was hast du dort erlebt und was waren deine Eindrücke von diesem Land?

 

Ja, ich fahre jährlich in den Herbstferien meine Tanten im Iran besuchen. Hauptsächlich habe ich schon zwei große Städte besucht: Teheran, die Hauptstadt des Irans, und Esfahan. Beides sind wunderschöne Städte, in denen man viele Sehenswürdigkeiten begutachten kann. Ich habe sogar schon einmal eine Kutschfahrt gemacht und konnte so alle Attraktionen aus einer anderen Perspektive sehen. Das Wetter war, immer wenn ich da war, ziemlich warm und windig, aber insgesamt ganz angenehm.

 

Bist du beunruhigt über den verschärften Konflikt, in den der Iran mit den USA geraten ist? Was sind deine möglichen Sorgen?

Ich habe mir anfangs schon ziemlich große Sorgen gemacht, weil ein Teil meiner Familie im Iran lebt und ich Angst um deren Sicherheit hatte. Wir haben natürlich sofort bei unseren Verwandten angerufen, als die ersten Meldungen uns erreichten. Aber letztendlich haben uns unsere Tanten nur beruhigt und meinten, dass alles in Ordnung sei.

 

Der durch die USA getötete General, Soleimani, wird in den Medien häufig als der zweitwichtigste Mann des Irans bezeichnet. Kanntest du ihn schon bevor er starb? Welche Rolle spielte er für den Iran und dessen Bevölkerung?

Ich muss gestehen, dass ich die Persönlichkeit Soleimani vorher nicht kannte. Trotzdem war er im Iran sehr berühmt. Meine Eltern kannten ihn zum Beispiel beide. Als militärischer Anführer und guter Freund des iranischen Präsidenten hatte er aber natürlich auch eine hohe Machtposition.

 

 

Ali Khamenei ist das Staatsoberhaupt und religiöse Anführer des schiitischen Iran. Er hatte mehrfach in den Medien „Vergeltung“ für den Mord an Soleimani gefordert. Denkst du die beiden Luftangriffe auf die beiden militärischen Stützpunkte der USA waren bereits die gesamte Vergeltung oder werden womöglich weitere Angriffe folgen?

Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass der Angriff der Iraner auf den militärischen Stützpunkt der USA im Irak vorher angekündigt war, sodass kein Mensch zu Schaden gekommen ist. Das zeigt meiner Meinung nach, dass der Iran nicht beabsichtigt Menschen zu töten. Es gibt zwar gerade noch eine aufgeheizte Stimmung im Land, aber ich denke nicht, dass es zu weiteren Angriffen seitens des Irans kommen wird.

 

Viele Menschen weltweit reagierten auf den Beschuss Soleimanis auf Befehls Trumps mit Unverständnis. Wie bewertest du dieses Vorgehen?

Soleimani war nicht gerade die „netteste“ Person, aber er beabsichtigte nicht einen Krieg mit den USA oder irgendeinem anderen NATO-Land zu beginnen. Deshalb war Trumps Beschuss völlig unverhältnismäßig und hat den Weltfrieden gefährdet.

 

Im gesamten Iran kam es zu Protesten und Trauermärschen, die dem Tod von General Soleimani gedachten. Haben auch Mitglieder deiner Familie an einem solchen Trauermarsch teilgenommen?

Ja, einige meiner Familienmitglieder haben an einem Trauermarsch für Soleimani in Esfahan teilgenommen. Ich habe auch mehrere Videos von diesen Kundgebungen geschickt bekommen und darauf konnte man eindeutig sehen, dass riesige Menschenmassen bei den Demonstrationszügen mitgelaufen sind.

 

In vielen Interviews mit Demonstranten wurde von Iranern der „Tod Amerikas“ beschworen und Kriegsaufrufe verkündet. Wie würdest du die allgemeine Stimmung im Iran einschätzen? Möchte eine Mehrheit im Land einen Krieg mit den USA?

Selbstverständlich ist die Stimmung im Iran gerade nicht wirklich gut, denn viele sind sehr negativ gegenüber den USA eingestellt. (Das war auch schon vor den Ereignissen so. ) Ehrlich gesagt glaube ich aber nicht, dass eine Mehrheit im Iran einen Krieg mit den USA möchte. Die Iraner wissen genau so gut wie wir, dass ein Krieg nur Zerstörung mit sich bringt.

 

Tatsächlich hatte der Konflikt zwischen dem Iran und den USA schon den Tod von 176 unschuldiger Menschen zur Folge, die bei einem versehentlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs ums Leben kamen. Wieso glaubst du, hat man dieses Versehen zunächst geheim halten wollen, obwohl doch klar war, dass die Wahrheit herauskommen würde?

Man hatte natürlich Angst vor der Reaktion der Bevölkerung, die jetzt dafür nur umso drastischer ausfällt. Viele meiner Angehörigen und Verwandten waren ziemlich aufgebracht und entsetzt über das Vorgehen des iranischen Militärs. Und meine Verwandten haben dann tatsächlich auch an den Protesten gegen die Regierung teilgenommen.

 

Im Internet ist seit Beginn der Verschärfung des Konfliktes immer häufiger vom dritten Weltkrieg die Rede, der uns kurz bevorstünde. Denkst du, es kann zu einem Weltkrieg kommen? Wird sich dieser internationale Konflikt deiner Meinung nach verschärfen oder entschärfen.

Diese Frage ist für mich schnell beantwortet: Es wird auf Grundlage dieses Konfliktes keinen dritten Weltkrieg geben. Natürlich werden die Spannungen zwischen den beiden Staaten bald abflachen, was zu einer Entschärfung der Problematik führen wird.

 

Das Atomabkommen, welches es dem Iran verbot Atomwaffen herzustellen und im Gegenzug die Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft aufhob, wurde als Reaktion auf die Tötung Soleimanis für nichtig erklärt. Denkst du, dass der Iran die USA auch mit neuen Atomwaffen bedrohen könnte?

Da kenne ich mich ehrlich gesagt nicht wirklich aus, aber ich denke, dass es im Interesse aller wäre, das Abkommen neu zu verhandeln.

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