Meinung

Yes, ve gan!

Thorben Thieme |

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Yes, ve gan!

Vegan – das heißt für viele: einseitig, nicht lecker und ungesund. Aus meiner mittlerweile sechsmonatigen Erfahrung kann ich allerdings sagen, dass das nicht so sein muss!

Bevor ich mich im Februar 2020 nach ausgiebiger Bedenkzeit dazu entschied, mich fortan vegan zu ernähren, war ich bereits ein Jahr Vegetarier gewesen. Ethische (98% aller „Nutztiere“ in Deutschland werden nicht artgerecht gehalten) und vor allem ökologische Gründe (eine fleischfreie Ernährung setzt 30% weniger Treibhausgase frei als eine omnivore) hatten mich dazu bewogen, auf Fleisch, Fisch, Gelatine, tierisches Lab et cetera zu verzichten und somit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Auch wenn ich Milchprodukte, besonders Käse, und Eier liebte, kam bei mir in den folgenden Monaten mehr und mehr ein schlechtes Gewissen auf: Dass Kühe von ihren Kälbern getrennt, zur permanenten Milchabgabe „hochgezüchtet“ und schließlich geschlachtet werden, wenn sie ihrem „Anspruch nicht mehr gerecht werden“, dass männliche Küken geschreddert oder vergast werden, dass Schildläuse zwecks roter Farbstoffgewinnung für Lebensmittel (Karmin) ausgekocht werden, veranlasste mich, auch vor allem die Eier- und Milchindustrie nicht mehr unterstützen zu wollen. So begann ich, die vegane Ernährungsweise – vorerst in der Fastenzeit nach Karneval – auszuprobieren.

Ich muss zugeben, dass die ersten Wochen durchaus eine Herausforderung waren. Eine Ernährungsweise umzusetzen, die kein Verwandter oder Freund verfolgt, ist schon nicht einfach. Doch auf vielerlei Weise konnte ich mir Hilfe holen: Besonders die Apps „Daily Dozen“ und „CodeCheck“, die Rezeptdatenbank der Albert-Schweitzer-Stiftung („Vegan Taste Week“), der YouTube-Kanal „Vegan ist ungesund“ und der Kontakt mit Veganern, die ich kennenlernte, halfen mir sehr, mich über die gesundheitlichen Aspekte, die Speisemöglichkeiten, das vegane Supermarktsortiment, die Zubereitung veganer Gerichte und vieles Weitere zu informieren. Wenn sich das für euch jetzt nach tage- und nächtelanger Recherche anhört, kann ich euch beruhigen: Sicherlich hat mir der anschließende Corona-Lockdown zwar Zeit und Flexibilität geschaffen, doch nach wenigen Wochen interessierter, aber keineswegs ununterbrochener Auseinandersetzung mit dem Thema „Veganismus“ beginnt man bereits, Gewohnheiten zu verändern (Geschmack und Fleischlust ändern sich schnell!), Lieblingsgerichte zu entdecken, im Supermarkt durchzublicken und festzustellen, was man essen sollte, um satt und gesund zu sein. Die vollwertige vegane Ernährungsweise hat nämlich durch den hohen Ballaststoff- und bei null liegenden Cholesteringehalt zahlreiche gesundheitliche Vorteile, etwa ein geringeres Risiko für Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten – klar ist aber natürlich auch, dass es keinesfalls gesünder, wenn auch vegan ist, „nur“ „Oreo“-Kekse, Ersatzprodukte und Fruchteis zu essen!

Anfangs habe ich mir also viele Gedanken über meine Ernährungsumstellung gemacht, doch nachdem sich die Ernährungsweise eingependelt hatte, sie also zur Routine geworden war, ich viel besser zu kochen gelernt und auch meine Familie immer mehr Gefallen an veganen Gerichten gefunden hatte, stand fest, dass ich mich auch nach Ostern weiterhin pflanzlich ernähren möchte. Selbst unterwegs stellte sich dies weitaus weniger problematisch dar, als ich gedacht hatte, zumal immer mehr Restaurants, Imbissbuden und Geschäfte Veganes anbieten und sich vegane Snacks leicht vorbereiten und mitnehmen lassen. Meine Blutwerte besserten sich angesichts ärztlicher Untersuchungsergebnisse erheblich, wobei Vitamin-B12-Zahnpasta oder -Tabletten die einzigen Nahrungsergänzungsmittel sind, die ich zu mir nehme (was allerdings auch jeder Fleischesser und Vegetarier indirekt tut, da das Bakterienvitamin B12 auch den Tieren in der Mast häufig supplementiert wird – nur um den Tierprodukte konsumierenden Menschen damit zu versorgen; https://www.nutri-plus.de/vitamin-b12-cobalamin-vorkommen-mangel-zufuhr/). 

Ich hätte mir noch vor zwei Jahren niemals vorstellen können, einmal Veganer zu werden. Jetzt aber bereue ich die Entscheidung jedenfalls keineswegs und halte mir vielmehr die Vorteile des Veganismus vor Augen. Auch wenn ich Fleisch, Milch und Eier stets sehr gerne mochte, ist das Gefühl, keinem Tier durch seine Ernährung Qualen zuzufügen, einen Beitrag zur Welternährung zu leisten (an Tiere verfüttertes Getreide und Gemüse könnten viele Menschen direkt ernähren und 50% Ackerfläche würde zusätzlich frei) und 50% weniger CO2 zu verursachen (70% der aufgrund unserer Ernährung erzeugten Treibhausgase gehen auf tierische Produkte zurück; alle Infos), großartig, und Falafel, Nudeln mit Linsentomatensauce und Jackfruit-Burger sind einfach super lecker! Über abschätzige Kommentare und Vorurteile sieht man schnell hinweg und kennt sich zusehends besser mit dem Thema „Ernährung“ aus!

Ich freue mich über jeden, der dem Veganismus offen gegenübersteht und Aufmerksamkeit schenkt und sich Schritt für Schritt klima-, tier- und gesundheitszuträglicher ernähren möchte. Tipps, die mir ans Herz gelegt wurden oder die ich aus eigener Erfahrung weitergeben kann, möchte ich euch gerne verraten: Bleibt auf jeden Fall geduldig, gebt nicht nach einigen Wochen der Ernährungsumstellung auf und lasst euch Zeit; gönnt euch auch mal veganes Fast Food oder pflanzliche Ersatzprodukte und lernt über die genannten Internetverweise, Dokumentationen wie „Dominion“ oder „Earthlings“ und vor allem durch Kreativität und Ausprobieren die Vielfältigkeit und Vorzüge der veganen Ernährung kennen! Es macht Freude!

Jeder kann durch sein eigenes Handeln einen Beitrag für eine klima-, tier- und menschenfreundlichere Welt leisten:

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