Schulleben

„Certamen Rheno-Palatinum“

Anonym

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„Certamen Rheno-Palatinum“

AULA: Vielen Dank erstmal, dass dieses Interview zeitlich gemeinsam eingerichtet werden konnte. So können wir nämlich gleichzeitig aus Lehrer- und Schülerperspektive vieles zu dem landesweiten Latein-Wettbewerb „Certamen Rheno-Palatinum“ erfahren. Meine erste Frage richtet sich deshalb direkt an Herr Fleißner: Was ist das Certanem Rheno-Palatinum überhaupt und wer darf daran teilnehmen?

Herr Fleißner: Das Certamen Rheno-Palatinum ist eine Veranstaltung des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums und des deutschen Altphilologenverbands. Teilnehmen dürfen die Schüler der Stufen 11 und 12, die besonders Interesse an alten Sprachen, sprich Latein und Altgriechisch, haben. Der Wettbewerb besteht insgesamt aus drei Runden.

AULA: Vielleicht könnten Sie Herr Fleißner der Leserschaft noch einmal einen etwas detaillierteren Einblick in den Ablauf des Wettbewerbs geben. Gibt es verschiedene Etappen oder Zwischenziele, die zu erreichen sind?

Hr. F.: In der ersten Runde, die zu meist im Frühjahr stattfindet, wird eine Arbeit mit Übersetzung geschrieben. Nach dieser Etappe erhalten die besten 10% die Möglichkeit, von Oktober bis Januar eine schriftliche Hausarbeit zu schreiben, wobei zu dieser Arbeit auch immer ein Kreativteil dazugehört. Und die aller besten aus dieser zweiten Runde werden um Pfingsten herum zu einem Kolloquium – einem Gespräch – an der Universität in Mainz eingeladen, mit dem Ziel in die Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen zu werden. Dies ist ein Begabtenförderungswerk, an dem ca. 1% aller Studierenden in Deutschland teilnehmen dürfen. Damit wären dann ein Stipendium, diverse Auslandaufenthalte und viele Veranstaltungen verbunden.

AULA: Und Thorben was genau war deine Motivation, an diesem Wettbewerb teilzunehmen? Ich gehe nämlich nicht davon aus, dass sich eine Mehrheit der Schülerschaft freiwillig dieser zusätzlichen Belastung unterziehen würde?

Thorben Thieme: Dadurch, dass ja leider weder ein Latein-GK noch ein Latein-LK hier bei uns in der Schule in den letzten Jahren zustande kam, ist es meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, sich zu messen und nochmal unter Beweis zu stellen, auf welchem Wissensstand man steht und wie gut man Latein oder Griechisch beherrscht. Zum anderen ist es ein sehr attraktiver Wettbewerb mit tollen Preisen.

AULA: Gibt es denn vielleicht ganz bestimmte Preise, die dich besonders gereizt haben? Und wenn ja, welche sind das genau gewesen?

T. T.: Also am meisten reizt mich natürlich der Wettbewerb. Nochmal eine Latein-Klausur zu absolvieren und zumindest ansatzweise zu erfahren, wie Latein in der Oberstufe aussähe, waren schon meine Hauptmotivationen. Aber die Geldpreise und vor allem das Stipendium sind natürlich sehr reizvoll. Also die Erst- bis Drittplatzierten der ersten Runde haben beispielsweise verschiedene Geldpreise bekommen. Ich habe für die erste Runde den Preis der Stadt Andernach bekommen. Des Weiteren konnte man Bücher oder ein Probeabonnement der Zeitschrift „Antike Welt“ gewinnen.

AULA: Mir ist zu Ohren gekommen, dass du, Thorben, ziemlich erfolgreich bei dem letztjährigen Certamen abgeschnitten hast. Welche Art von Erfolgen konntest du verbuchen?

T. T.: Der Hauptgewinn war zunächst mal in der ersten Runde der Jahrgangsstufe 11, als ich diese für mich entscheiden konnte. Dabei war die Übersetzung ein Columella-Text aus dem 1. Jahrhundert nach Christus sowie eine sprachliche Analyse und Interpretation mit der ersten Überprüfung verbunden. Dadurch habe ich mich für die zweite Runde qualifiziert, in der ich dann eine Hausarbeit über das Thema „Nero – Ein umstrittener Herrscher“ im Zusammenhang mit dem Brand Roms verfasst habe. Daraufhin wurde ich zu dem besagten Kolloquium eingeladen. Aber die Anwärter auf das Stipendium werden uns erst im Oktober oder November mitgeteilt.

AULA: Herr Fleißner, Sie als Latein-Lehrer haben bereits viele Schüler im Fach Latein unterrichten können und konnten daraus viele Erfahrungen sammeln. Inwiefern ist Thorben eine Ausnahme, wenn man seine Begeisterung und sein Talent für die lateinische Sprache berücksichtigt?

Hr. F.: Also Thorben ist in der Hinsicht eine riesige Ausnahme, da die Preisträger normalerweise aus altsprachlichen Gymnasien kommen oder zumindest einen Latein-LK haben, während Thorben nur eine einstündige Latein-AG besucht. Dass er trotzdem in diese Riege aufsteigen konnte, spricht nur für ihn. 

AULA: Trotz des erfolgreichen Abschneidens Thorbens und der Mühe, die sich schon so manche Personen bezüglich dieses Wettbewerbs gemacht haben, scheint einer breiten Mehrheit der Schülerschaft, der Eltern und der Lehrkräfte das Certamen unbekannt. Denken Sie, dass die Schulleitung dem Ganzen einen nicht ausreichend hohen Stellenwert beimisst?

Hr. F.: Ich denke schon, dass die Schulleitung dem Wettbewerb einen ausreichend hohen Stellenwert beimisst. Allerdings ist das Problem gegeben, dass nur sehr wenige Schüler nach dem Latinum in der zehnten Klasse auch Latein in der Oberstufe wählen. Das ist momentan eine Problematik, die in ganz Rheinland-Pfalz herrscht. Die Schüler merken eben, sie haben den Abschluss mit ihrem Latinum erreicht und brauchen es nicht mehr weiter zu wählen. Früher war die Anzahl der Schüler, die Latein in der Oberstufe gewählt haben sehr groß, sodass wir im gesamt-deutschen Vergleich immer mithalten konnten. Aber das aktuelle Kurssystem erschwert es den Schülern, die Fächer zu wählen, die sie interessieren.

T. T.: Problematisch ist auch, dass die zweite Fremdsprache schon in 6. Klasse beginnt und nicht erst in der siebten. Dann wäre der Latein-Unterricht für das Latinum bis zur 11. Klasse gegangen, was die Latein-Wahl bestimmt begünstigt hätte. Aber ich denke auch, dass es an unserer Schule speziell zu diesem Thema deutlich Luft nach oben gibt. So wurde zum Beispiel am Informationstag bezüglich der Leistungs- und Grundkurswahl für die Oberstufe von Seiten der Schulleitung explizit gesagt, dass das Große Latinum irrelevant sei. Außerdem wird auch von manchen Lehrkräften der Wert der Sprache Latein bestritten. Generell muss sich unsere Schule dahingehend verbessern, da einfach keine großen Bestrebungen zu erkennen sind, den Latein-Unterricht in der Oberstufe einzurichten.

AULA: Aber ganz generell scheint es mir doch so, dass die Fachschaft Latein häufig belächelt wird. Fühlen Sie sich da in irgendeiner Hinsicht benachteiligt? Und diese Frage geht direkt an Thorben bezügliches deines Wunsches nach einem Latein-Lk: Denkst du, dass die Entscheidung, noch nicht einmal einen Latein-Gk zustande kommen zu lassen, eine bewusst-benachteiligende war oder lediglich eine pragmatische aufgrund der geringen Nachfrage?

Hr. F.: Die Nachfrage, muss man sagen, ist anfangs noch durchaus da. Denn ungefähr ein Drittel der Schüler wählen Latein als zweite Fremdsprache. Allerdings muss man auch sagen, dass die Schulleitung in ihren Mitteln eingeschränkt ist und nicht alle Kurse einrichten kann. So wird lieber mit einem schmalen Band an Kurskombinationen gefahren, wodurch Exotenfächer wie Latein oder manche Naturwissenschaften eher hintenüberfallen.

T. T.: Natürlich liegt es einerseits an den Rahmenbedingungen, für die unsere Schule selbst nichts kann. Zum anderen muss man aber auch sagen, dass die Schulleitung jahrelang – mit Ausnahme des letzten Jahres – nicht zu Latein-Konferenzen erschienen ist. Auch die Aussagen von Schulleitungsseite, dass die Sprache Latein unbrauchbar sei, sind meines Erachtens gänzlich inakzeptabel.

AULA: Und wie könnte die Situation des Latein-Unterrichts am MGL verbessert werden?

Hr. F.: Das ist tatsächlich eine administrative Frage. Das Einführen des Latein-Unterrichts in der 6. Klasse ist viel zu früh. Da sind übrigens die Französisch-Kollegen mit uns ganz einer Meinung. Würde man – wie Thorben bereits sagte – den Beginn der zweiten Fremdsprache auf die 7. Jahrgangsstufe verschieben, wäre uns schon sehr geholfen.

T. T.: Wenn man die Wahl der zweiten Fremdsprache noch ein Jahr verzögern würde, wären sich Eltern wie auch die Schüler bestimmt sicherer in ihrer Entscheidung für Latein oder Französisch. Sobald man dann auch in der Oberstufe den Latein-Unterricht besucht, merkt man erst, wofür man das ganze die fünf Jahre lang gemacht hat. Denn erst hier lässt sich erkennen, dass man die Früchte der lateinischen Sprache ernten kann.

AULA: Was würden Sie / würdest du Schülerinnen und Schülern aus der 5. Klasse erwidern, die ihre Entscheidung für die zweite Fremdsprache zu treffen haben und Latein mit der Begründung, es sei eine „tote und unnütze Sprache“, ablehnen? Und wie kann man Latein, ganz allgemein gesagt, den jungen Schüler*Innen schmackhaft machen?

Hr. F.: Ich denke, Latein ist in gewisser Hinsicht tot, weil es nicht mehr gesprochen wird. Damit haben die Schüler Recht. Aber die Inhalte, die vermittelt werden, sind mindestens genauso modern wie in anderen Sprachen. In Latein haben wir jedoch nicht nur eine räumliche Distanz, wie z.B. bei Französisch, sondern auch eine zeitliche Distanz, was genauso spannend sein kann, wie wenn man ein benachbartes Ausland besucht. Außerdem bezieht sich die lateinische Tradition auf einen Zeitraum von über 2000 Jahren. D.h. man hat sehr viele Möglichkeiten, etwas über Kontraste und andere Lebensformen zu erfahren. Man sollte aber auch ehrlich sein und den Schülern vermitteln, dass die Sprache im Vordergrund steht. Aber gerade im sprachlichen Bereich haben viele Schüler große Defizite, wobei der Latein-Unterricht unterstützend wirken kann.

T. T.: Ich sage immer gerne zu meinen Nachhilfe-Schülern: „Latein ist ein lebendiges Stück Geschichte!“, weil es eben die gesamte Antike bis ins Mittelalter umfasst. Und wenn man Latein auslöschen würde, wäre ein unglaublich großer Teil der Menschheitsgeschichte einfach vergessen. Viele philosophische, kulturelle und historische Schätze würden einfach ausgelöscht werden, die unser heutiges Leben ganz enorm prägen. Zum anderen ist Latein eine lebendige Sprache, da so viele Fremdwörter im Deutschen, im Englischen und in den Naturwissenschaften aus dem Lateinischen kommen. Außerdem helfen einem Syntaxsprachen wie Griechisch und Latein ungemein, heutige Sprachen zu verstehen. Letztlich macht mir persönlich Latein einfach nur Spaß!

AULA: Herzlichen Dank für dieses ausführliche Interview! Ich wünsche Ihnen bzw. dir ganz viel Erfolg beim fortdauernden Kampf für die lateinische Sprache!

 

Das Interview führte Niklas Hausen.

 

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